6. April 2021

Franzy und Frieda – ein Interview



Hey, wer bist du und was machst du so?
Mein Name ist Franziska, ich bin 19 Jahre alt und mache zurzeit eine
Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten.

Auf deinem Instagram-Kanal redest du offen über deine Mental Health. Seit wann lebst du mit einer/mehreren psychischen Krankheit/en?
Seit nun 8 Jahren lebe ich mit diversen Psychischen Erkrankungen.

Warum hast du dich entschieden, auf Instagram über psychische
Erkrankungen und Assistenzhunde aufzuklären?

Ich habe mich dafür entschieden, über das Thema Assistenzhunde auf
Social Media aufzuklären, da diese vor drei Jahren kaum bekannt waren.
Jeder kennt Blindenführhunde, aber Assistenzhunde für psychische
Erkrankungen sind kaum bekannt. Auch über das Thema psychische
Erkrankungen aufzuklären, entschied ich mich, als ich eine Menge
Unverständnis gegenüber diesem Thema im Alltag erfahren habe.

Welche Erfahrungen hast du diesbezüglich gemacht?
Die Bekanntheit von Assistenzhunden hat sich über die letzten Jahre sehr
verstärkt. Ich habe über Instagram fast ausschließlich positive
Erfahrungen gemacht – im Alltag ist dies etwas schwieriger. Je größer
der Radius der Menschen wird, desto mehr negative Erfahrungen erfährt
man im Alltag. Sei es Zutrittsprobleme oder Sätze wie : „Das hat es
früher ja auch nicht gegeben, dass ist nur ein Trend“.

Was wünscht du dir von anderen Menschen in Bezug auf psychische
Krankheiten?

Ich wünsche mir, dass psychische Erkrankungen genauso ernst genommen
werden, wie physische Erkrankungen. Ich möchte nicht in eine Ecke
gestellt werden und trotzdem Unterstützung im Alltag erhalten, welche
für mich im Alltag notwendig ist. Grade beim Thema GdB werden psychische
Erkrankungen mit großen Einschränkungen im Alltag weniger grade bekommen
als mit körperlichen Erkrankungen und den gleichen Einschränkungen. Bei
psychischen Erkrankungen gibt es keine Richtlinien und deswegen werden
psychische Erkrankungen meiner Meinung nach weniger ernst genommen.

Wer ist denn Frieda?
Frieda ist meine 5 Jährige blonde Labradordame, welche mich als
Assistenzhund in meinem Alltag unterstützt und mein medizinisches
Hilfsmittel ist.

Wie lange hast du Frieda schon?
Ich kenne Frieda schon seit der Welpenzeit, als ausgebildeter
Assistenzhund begleitet Sie mich seit 3 Jahren.

Warum hast du Frieda bekommen?
Ich habe Frieda als Assistenzhund ausgebildet, da mich meine
Einschränkungen der Erkrankung im Alltag so einschränken, dass ich
diesen alleine nicht meistern kann. Nach vielen Klinik-Aufenthalten,
Therapieformen und Unterstützungsformen war ein Assistenzhund der Schritt
zurück ins Leben.

Was ist eine PTBS und welche Einschränkungen entstehen dadurch für
dich?

Eine PTBS ist eine Posttraumatische Belastungsstörung, eine
Traumafolgestörung, die nach einem oder mehreren Traumata auftritt.
Meine Einschränkungen im Alltag sind hauptsächlich meine Dissoziativen
Krampfanfällen, Amnesien und Fugue. Aber auch Einschränkungen, nicht
mehr alleine öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder lebenswichtige
Sachen einzukaufen, Am Unterricht teilzunehmen oder Vollzeit arbeiten zu
gehen prägen meinen Alltag.

Wie hilft dir Frieda im Alltag? Was hat sie gelernt, um dich zu
unterstützen?

Frieda unterstützt mich in mehreren Themengebieten. Einerseits ist
Frieda ein Anfallswarnhund und zeigt mir kleinste Veränderungen meines
Körpers vor einem Krampfanfall an. Sie hat gelernt meine Notfall
Medikamente zu holen, Hilfe zu holen, einen Notfallknopf zu drücken.
Aber auch eine wichtige Assistenzleistung sind die Führaufgaben. Sie hat
gelernt mich bei einer Absence sicher durch den Verkehr zu führen, mich
vor Straßen und Hindernissen zu schützen, Ausgänge oder Eingänge zu
suchen, Eine Sitzgelegenheit oder einen Rand zum ausruhen. Bei dissoziativen
Bewegungsstörungen kann Sie am Rollstuhl laufen, mir verschiedenste
Sachen Apportieren und Türen zu öffnen.
Weitere Assistenzleistungen sind das Beruhigen durch Körperkontakt, das
Zurückholen aus Dissoziationen sowie das Licht ein und ausschalten.

Was unterscheidet Frieda von „normalen“ Familienhunden, also welche
Eigenschaften braucht ein Assistenzhund? Wie lange dauert die
Ausbildung?

Frieda unterscheidet sich von „normalen“ Familienhunden vor allem in
Ihrem Charakter. Sie hat keine Probleme in schwierigen Situationen die
„Führung“ zu übernehmen. Sie darf sich weder von Menschen, Tieren oder
Reizen aus der Ruhe bringen lassen. Ein normaler Familienhund fühlt sich
bei großen Veranstaltungen, mit Menschengedrange und lauten Geräuschen
(z. B einer Demo) meist nicht ganz so wohl, Frieda könnte sich
währendessen hinlegen und nur auf mich achten. Ein Assistenzhund sollte
ein bestimmtes Will-to-please haben, mit dem Besitzer als Team arbeiten
aber auch etwas Selbständigkeit besitzen. Zudem sollte ein Assistenzhund
körperlich gesund sein. Die Ausbildung dauert ca 2 – 3 Jahre, je nach
Team.

Wie reagieren andere Menschen auf dich und Frieda?
Menschen die uns kennen, freuen sich natürlich auch immer Frieda zu
sehen. Fremde Menschen sind meist eher abgeneigt uns gegenüber und
schauen uns an, als würden wir vom Mond kommen. Mit dem Begriff
Assistenzhund können viele noch nichts anfangen.

Erlebst du mit Frieda auch Probleme oder Einschränkungen?
Ja! Probleme und Diskriminierung erleben wir regelmäßig. Auch weil ich ja nicht „behindert“ aussehe,
verstehen viele nicht, warum ich denn jetzt den Hund mitnehmen muss.
Auch viele Läden versuchen sich immer auf Ihr Hausrecht zu beziehen,
Hunde kommen hier nicht herein. Dies liegt meiner Meinung nach aber an
der nicht vorhandenen Aufklärung gegenüber Assistenzhunden – alles was
neu ist, ist erstmal abgelehnt.

Was hat sich geändert seit du Frieda hast?
Durch Frieda habe ich seit langem wieder die Möglichkeit, eine
Regelschule zu besuchen und auch in die Arbeitswelt einzusteigen.
Alltägliche Sachen – die vorher unmöglich waren – zu bewältigen und mich
neuen Herausforderungen zu stellen. Natürlich ist sie aber nicht nur
mein medizinisches Hilfsmittel, sondern in erster Linie ist sie mein
Hund. Wir haben einfach schon viele unglaublich schöne Momente zusammen
gehabt – und Frieda bleibt, nimmt mich an wie ich bin, dass ist ein
unglaublich gutes Gefühl.

Möchtest du sonst noch etwas sagen?
Ich wünsche mir mehr Akzeptanz und Aufklärung über PTBS und
Assistenzhunde, sei es seitens der Politik für ein angemessenes
Assistenzhundegesetz mit Möglichkeiten der (Teil-)Selbstausbildung,
den Kostenübernahmen von Krankenkassen oder Beurteilung von Ämtern.



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