1. Mai 2021

Arbeiter:innenkampftag: Erfahrungen des medizinischen Personals



„Seit Neujahr versorgen wir ebenfalls Covid-erkrankte Patient*innen. Neujahr kam es vermehrt zu positiven Fällen auf unserer Station und nachdem diese Fälle noch verstreut in allen Bereichen lagen, mussten wir unbedingt umstrukturieren. Heißt, dass ein Bereich ausschließlich für Covid-positive Patient*innen verplant ist. Dort wird alles selbst gemacht: Blutentnahmen, Aufnahme, Essen für die komplette Woche anfragen (insofern es die Patient*innen nicht selbst können, aufgrund ihres schlechten Zustandes), Essen rein und raus bringen, komplette Pflege, aufräumen, auffüllen von Material, welches in den Zimmern zur Versorgung benötigt wird etc.

Es gibt „neue“ feste „Protokolle“, wo vorgegeben ist, was man an welchen Tagen diagnostisch machen muss. Zum Beispiel welche speziellen Blutentnahmen an welchen Tagen. 

Wir hatten einige Monate, wo im Frühdienst auf sechs Patient*innen zwei Pflegekräfte eingeplant werden mussten, weil es sonst nicht zu schaffen war. 


Der Mehraufwand ist enorm hoch. Wir hatten seit Neujahr keinen Tag, an dem wir keinen positiven Fall bei uns liegen hatten. Anfangs war es dann natürlich auch so, dass sich viele Kolleg*innen infiziert haben und für mindestens zwei Wochen erstmal ausgefallen sind. Davon berichten aber viele, dass sich Kolleg*innen infizieren, egal wie gut man sich schützt.

Was ich persönlich sehr erschreckend fand: wie schnell sich die Covid-positiven Patient*innen vom Allgemeinzustand verschlechtern und teilweise sofort auf Imc /Its verlegt werden müssen. Morgens kann es sein, dass es denen noch den Umständen entsprechend ging und sie paar Stunden später plötzlich komplett einfallen, extrem luftnötig werden und der komplette Kreislauf einbricht. Teilweise gab es auch Momente, wo die Menschen plötzlich tot im Bett lagen.

Was wir auch bei unseren Patient*innen beobachtet haben: wenn diese schon Chemotherapie bekommen haben oder transplantiert sind, bleiben sie unfassbar lang positiv und werden es auch immer wieder (heißt: Ergebnis an einem Tag negativ, am nächsten wieder positiv).
Ein Moment, welcher für mich sehr schlimm war, war folgende Situation: Patient*in wurde positiv getestet, hat es überstanden, war irgendwann negativ, hat Chemotherapie bekommen und ist kurze Zeit darauf verstorben.

Ich und eine Kolleg*in mussten mit reanimieren anfangen, bis wir die ärztliche Anordnung bekommen haben, dass wir nicht weiter machen brauchen (es war wirklich nur eine Herzdruckmassage). 


Der/Die Patient*in hat Covid überlebt und ist dann scheinbar an Spätfolgen verstorben, weil es zu viel für den Körper war.

Jedes Mal, wenn man denkt, jetzt können wir den letzten positiven Fall entlassen, kommt jemand neues. Der Arbeitsaufwand wird nicht weniger. Und warum wir (nicht nur unsere bekannten Patient*innen, sondern auch alle postiv getesteten, welche in unsere Fachrichtung gehören) behandeln müssen, liegt daran, dass im Neujahr die Klinik völlig überfüllt war. Ich glaube Ende Februar oder Anfang März gab es eine Zeit, wo sich die Lage etwas beruhigt hatte, vor allem auf Intensivstationen. Dies hat natürlich nicht lange angehalten, mittlerweile sind vor allem die Intensivstationen wieder ziemlich voll. 

Die psychische Belastung ist natürlich für Patient*innen als auch für Personal wahnsinnig hoch. Wenn ich manchmal so höre, wie viele auf Its versterben, ist es einfach nur gruselig. Der Tod ist nichts fremdes in der Pflege, aber so massiv? Sowas geht jedem nah mit der Zeit. Vor allem, weil man sich selbst fragt ‚hab ich wirklich alles gemacht? Alles richtig gemacht?‘ und manchmal (eher sehr oft) ist man so verärgert, dass man nicht genügend Zeit hat.

Am Ende sind wir auch alles nur Menschen und viele stellen ihr Privatleben momentan sehr in den Hintergrund, um wahnsinnige Arbeit zu leisten, die am Ende keiner sieht und im schlimmsten Fall anzweifelt.

Dann liest man Dinge wie: ‚die Krankenhäuser sind nicht überfüllt, alles halb so schlimm‘ und man kommt sich einfach total verarscht vor.


Selbst hat man solche Situationen gerade erlebt und Menschen, die am Ende noch nie ein Krankenhaus betreten haben, nehmen sich das Recht heraus, sowas zu behaupten. Ich hatte letztens auch ein Video gesehen, wo jemand einen Essenswagen von der Its gefilmt hat, wo nur zwei Tabletts mit Essen drin waren und dann behauptet hat, dass die Intensivstation ja gar nicht voll sein kann, wenn so wenig Essen drin ist. Aber wer kennts nicht, dem Menschen über die Ernährungssonde ne komplette Mahlzeit reinschieben.



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