28. Januar 2022

Eröffnungsbilanz Klimaschutz – Was gibt es zu tun?



4. November 2016: 196 Länder verabschieden das Pariser Klimaschutzabkommen. Dieses bindet die unterzeichnenden Staaten daran, ihre Emissionen zu senken, damit global minimum das 2 Grad Ziel, vorzugsweise 1.5 Grad Ziel erreicht wird. Als 1.5 Grad Ziel ist die Begrenzung des globalen Erdtemperaturanstiegs im Bezug zum Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100 zu verstehen. Dabei geht es nicht um einen natürlichen Temperaturanstieg, sondern um den menschenverursachten.

 Zur Erreichung dieses Zieles soll Deutschland spätestens im Jahr 2045 treibhausgasneutral werden. Dieses ambitionierte und begrüßenswerte Vorhaben verlangt ein drastisches Umdenken in Bereichen wie der Stromerzeugung, Importierung von fragwürdigen Energiequellen (beispielsweise Erdgas aus Russland) und Landflächennutzung in Deutschland.

Wie sieht’s denn gerade aus?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geleitet vom Minister Robert Habeck mit seinem Team eine Eröffnungsbilanz erstellt.

Die aktuelle Lage in Deutschland sieht folgendermaßen aus: die Treibhausgasemissionen konnten von 1990-2020 um 41.3% auf rund 729 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden. Somit wurde das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40% zu senken zwar erreicht, allerdings gilt es den Wermutstropfen zu beachten. Das Jahr 2020 stellt eine spezielle Situation dar, denn die deutlich gesunkenen Emissionen sind primär auf die Covid-19 Pandemie zurückzuführen. Deshalb ist das -40% Ziel bereits im Jahr 2021 (in wessen sich die Wirtschaft beispielsweise wieder erholte) wieder verfehlt wurden. Leider werden auch im Jahr 2022 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Ziele verfehlt und auch 2023 ist es unwahrscheinlich, die Ziele einzuhalten. Um den Effekt der Pandemie zu verdeutlichen gilt es zu erwähnen, dass im Jahr 2021 30 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente mehr als im Jahr 2020 verursacht wurden.

Bemerkenswert ist es einen Blick auf die verschiedenen Sektoren zu werfen. So verfehlt beispielsweise der Gebäudesektor zum zweiten Mal sein Ziel. Auch der Verkehrssektor wird sein Ziel vermutlich zum ersten Mal nicht erreichen. Die erwähnten Ziele geben vor, um wie viel sich die Emissionen pro Sektor pro Jahr verringern müssen. Eine Grafik zum Nachvollziehen der jeweiligen Zielüberschreitungen befindet sich in der Eröffnungsbilanz auf Seite 5.

Mit Blick auf unabdingbaren zeitlichen Verzögerungen, wie die Erarbeitung gesetzlicher Regelungen, welche dann frühestens 2023 in Kraft treten können sowie Planung und Errichtung von Windkraft- und Solar-Anlagen gilt es deshalb keine weitere Zeit zu verlieren.

Was muss passieren?

Konkret muss somit die jährliche Emissionsverminderung von 15 Millionen Tonnen auf 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr erhöht werden. Wenn diese 40 Millionen Tonnen erreicht werden, befinden wir uns im Rahmen des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Dieses besagt, dass die Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 auf -65% im Vergleich zu auf 1990 sinken müssen. Aktuell ist eine Verfehlung der Ziele um 15% der Fall. (Grafik Eröffnungsbericht Seite 4) In einer genauen Gewichtsangabe bedeuten diese 15% 195 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.  195 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sind knapp die Hälfte der für das Jahr 2030 gesamten vorgesehenen Treibhausgasemissionen (428 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente).

Zum Erreichen der -65% sollen 80% des Bruttostromverbrauchs im Jahr 2030 aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden. Der momentane Anteil liegt bei 42%. Problematisch ist, dass der Beitrag von erneuerbaren Energiequellen am Stromverbrauch 2021 erstmals seit 2000 gesunken ist. Dafür gibt es einige Gründe: fehlender Zubau, steigender Stromverbrauch und unterdurchschnittliches Windangebot. Um die 80% zu erreichen ist es notwendig, dass besonders der Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Anlagen vorangetrieben wird. Die Ausbaugeschwindigkeit von Windkraftanlagen muss von aktuell 450 pro Jahr auf ca. 1000 bis 1500 pro Jahr gesteigert werden.

Und wie wird’s gemacht?

Diese Steigerung hat zur Folge, dass in Deutschland im Schnitt 2% der Landflächen genutzt werden müssen. Dabei sei es laut Minister Robert Habeck jedoch egal ob in Bundesland A 0% genutzt werden dafür in Bundesland B 4% wenn diese Bundesländer sich untereinander geeinigt haben. Wichtig ist lediglich, dass die bundesweite Bilanz stimmt.
Natürlich muss in Anbetracht dessen auch über die unsinnige 10-h-Regel in Bayern gesprochen werden. Diese Regel besagt, dass ein Windrad nicht näher als das 10-fache seiner Höhe zu einem Wohngebiet errichtet werden darf. Bei einem Windrad von etwa 200m Höhe ist das eine unsinnige Entfernung von 2km, was den Windradausbau quasi zum Erliegen bringt.
Auch der Ausbau von Photovoltaikanlagen ist erforderlich. Eine verpflichtende Solardachpflicht für gewerbliche Neubauten wird dabei das Ziel unterstützen. Im privaten Sektor soll ein Solardach zur Regel werden. Zur Veranschaulichung der aktuellen und zukünftigen Situation bezüglich des Ausbaus sei die Grafik auf Seite 13 des Eröffnungsberichts zu erwähnen.

Eine ebenfalls große Rolle spielt die Industrie. Es ist notwendig, dass zum Beispiel die Stahl- und Chemieindustrie auf grünen Wasserstoff als Versorgungsenergie umsteigt. Als grüner Wasserstoff wird derjenige Wasserstoff bezeichnet, der ausschließlich durch erneuerbare Energiequellen produziert wurde. Bereits noch Ende Dezember 2021 wurde vom BMWI unter Minister Robert Habeck 900 Millionen Euro Subventionen bereitgestellt. Mit diesem Geld soll ein Wasserstoffhandelsnetz gefördert werden. Die Idee ist, dass Unternehmen grünen Wasserstoff aus dem Ausland kaufen, nach Deutschland bringen und hier an Unternehmen weiterverkaufen. Da gerade am Anfang die Kaufpreise höher als die Verkaufspreise sein werden, ist es umso wichtiger, dass das BMWI diese 900 Millionen Euro zum Ausgleich des Verlusts bereitstellen. (Quelle: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2021/12/20211223-900-millionen-euro-fuer-wasserstoffprojekt-h2global.html)

Auch internationale Vorhaben sollten erwähnt werden. Die „Internatione Energieagentur“ (IEA) hat einen globalen Pfad zum Einhalten des 1.5-Grad-Ziels präsentiert. (Grafik Eröffnungsbericht Seite 7)  Auszugsweise müssen die jährlich neu installierten Erneuerbaren Energiequellen auf 1000GW vervierfacht werden. Zur Einordnung: 1GW liefert ein Atomkraftwerk in einer Stunde.

Was heißt das alles für Verbraucher*innen?

Damit Deutschland seinen Teil beiträgt, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verschiedene Maßnahmen angekündigt. So soll die Umlage durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (kurz EEG) ab 2023 vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Aktuell müssen alle Stromverbraucher*innen die EEG-Umlage mit zahlen. Einfach gesagt, soll die EEG-Umlage sicherstellen, dass nachhaltiger Strom gefördert wird. Speist ein Privathaushalt eigens produzierten nachhaltigen Strom ins Netz ein, bekommt er einen festgelegten Betrag von seinem Netzbetreiber. Der Netzbetreiber verkauft diesen Strom wieder an der Strombörse. Damit der Netzbetreiber kein Minusgeschäft macht, wird er mittels der EEG-Umlage unterstützt. Allerdings wird die EEG-Umlage von allen Verbraucher*innen, unabhängig ob sie selber nachhaltigen Strom produzieren oder nicht, finanziert. Dies soll damit geändert werden, um für eine Entlastung der privaten Haushalte zu sorgen.

Ein weiteres Ziel ist die Beteiligung von Standort und Nachbarkommunen an der Wertschöpfung bereits existierender Freiflächen-PV-Anlagen und Windkraftanlagen.

Ist das eine neue Hoffnung?

Ja, wir sind überrascht über Umfang und Ausführlichkeit des Berichts. Wir freuen uns über die konkreten Zahlen und Fakten, fühlen uns (vielleicht erstmals?) von der Bundesregierung in unserem Kampf gegen die Klimakrise verstanden.  Das Ministerium um Habeck hat anscheinend den Ernst der Lage verstanden und packt an.

Natürlich liegen durch 16 Jahre CDU riesige Steinbrocken im Weg, die es zu entfernen gilt. Der Bericht schafft bei uns Hoffnung, dass sich in der neuen Regierung ein kompetentes Team gefunden hat.
Trotzdem fehlen uns Aspekte. Wie soll die Bürokratie um zum Beispiel Photovoltaik-Anlagen im privaten Bereich abgebaut werden? Warum wird der Schiffsverkehr mit kaum einem Wort erwähnt, wo er doch weltweit neunmal so viele Emissionen verursacht wie der gesamte deutsche Verkehrssektor?

Sind solche Fragen in insgesamt sechs Wochen Regierungsarbeit bereits zu beantworten? Müssen sie, es bleibt keine Zeit zu verlieren. Denn es kommt genau diese Regierung an, Denken und Handeln bezüglich der Klimakrise zu verändern und endlich in der Realität anzukommen.



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