25. April 2022

Was ist der Gender Data Gap?



Wusstet ihr, dass weibliche Personen ein höheres Risiko haben an einem Herzinfarkt zu sterben?


Der Grund dafür ist ein ganz einfacher: viele Jahre lang wurden keine oder nur sehr wenige
Untersuchungen an Probandinnen durchgeführt. Zusätzlich wurden und werden viele Medikamente
eher an Männern getestet. Der männliche Körper gilt bis heute als Maß der Dinge und ist die
Ursache für teils lebensbedrohliche Krankheitsverläufe weiblicher Personen.
Diese Datenlücke zwischen Männern und Frauen, die übrigens weit über die Medizin hinausgeht,
nennt man Gender Data Gap, ähnlich dem Gender Pay Gap.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Zurück zum Beispiel in der Medizin. Erst seit wenigen Jahren ist klar geworden: bei einem
Herzinfarkt treten vor allem geschlechterspezifische Symptome auf. Frauen berichten zum Beispiel
seltener über den typischen Brustschmerz, sondern klagen über Bauchschmerzen, Übelkeit oder
Kurzatmigkeit. Die Lücke in dem Daten führt aber zu falschen oder zu langsamen Diagnosen.
Hinzu kommt: Medikamente werden im weiblichen Körper langsamer abgebaut und müssten dabei
entsprechend angepasst werden. Da aber oft das Wissen darüber fehlt, findet diese leicht umsetzbare
Maßnahme in der Praxis wenig Anwendung.

Endometriose

Ein weiteres Beispiel ist die Krankheit Endometriose, die vor allem Frauen im gebärfähigen Alter
betrifft. Hierbei „treten Zysten und Entzündungen (Endometrioseherde) auf, die sich z.B. an
Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln.“ (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V). Die
Herde ähneln der Gebärmutterschleimhaut und können während des Zyklus wachsen und
(mit)bluten. Das führt zu starken Schmerzen während und auch außerhalb der Menstruation.
Endometriose ist eine chronische Krankheit, die mittlerweile interdisziplinär behandelt wird und mit
teils starken Einschränkungen im Alltag einhergeht. Sie wird in der Medizin oft als „Chamäleon der
Gynäkologie“ bezeichnet, da sie sich so unterschiedlich äußern kann.


Endometriose wurde lange Zeit nicht als schwerwiegende Krankheit anerkannt und ist der breiten
Bevölkerung kaum bekannt, obwohl jährlich ca. 40.000 Neuerkrankungen hinzukommen und sie
die häufigste Ursache für Unfruchtbarkeit darstellt. Auch heute noch gibt es keine gesicherte
Datenlage, im Durchschnitt dauert es 10 Jahre bis eine Frau die Diagnose erhält. Die meisten haben
da schon eine jahrelange Odyssee hinter sich.

In anderen Ländern ist man da schon weiter.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verkündete mit den Worten: „Das ist kein Frauenproblem,
das ist ein Gesellschaftsproblem“, eine nationale Strategie. Die Krankheit solle allen Menschen
bekannt werden, in Schule und Universitäten müsse Aufklärung erfolgen. Außerdem sprach er sich
für eine umfassende, personalisierte und gerechte medizinische Versorgung und die Intensivierung
der Forschung, um das Wissen über die Krankheit zu erweitern aus.
Wichtig ist es also, die Datenlücken zu erkennen und sie aktiv anzugehen. Um den Gender Data
Gap zu schließen und geschlechterbezogene Diskriminierung zu beenden, bedarf es daher neben der
geschlechterneutralen Perspektive ausdrücklich auch eine spezifisch weibliche Perspektive



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